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Jodtabletten hamstern - sinnvoll oder nicht?

Aktualisiert: 19. Juni 2022


Aus Angst vor einem möglichen Atomangriff seitens Russlands hamstern viele Menschen jetzt nicht mehr Klopapier sondern Jodtabletten, um sich im Ernstfall schützen zu können. Aber gibt es wirklich einen Grund zur Panik? Credit: Filmbetrachter/Germany, Pixabay


Erst das Klopapier, jetzt die Jodtabletten. Während der Corona-Pandemie wurde Toilettenpapier reichlich gehamstert. Seit den vergangenen Monaten gibt es in Deutschland wieder ein ähnliches Phänomen. In diesem Fall werden jedoch Jodtabletten gebunkert. Warum diese Tabletten gehamstert werden, wie effektiv sie sind und was das Thema mit dem noch immer andauernden Ukraine-Konflikt zu tun hat.

Jod ist ein Spurenelement, das der Mensch grundsätzlich nur für die Schilddrüse braucht. Alles was die Schilddrüse nicht aufnimmt, scheiden die Nieren umgehend wieder aus. Wie der Prozess abläuft, das erklärt Nuklearmediziner Dr. med. Werner Kanitz genauer: „Die Jodaufnahme funktioniert so, dass das Jod mit der Nahrung aufgenommen wird, ins Blut gelangt, und aus dem Blut von der Schilddrüse je nach Bedarf herausgeholt wird. Das ist ein aktiver Prozess mit einem aktiven Transporter, der das Jod in die Schilddrüse hineintransportiert.“


Es gibt zwei verschiedene Varianten von Tabletten. Man unterscheidet zwischen den Jodtabletten zur Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen und den hochdosierten Kaliumjodidtabletten, die eine Einlagerung von radioaktivem Jod in der Schilddrüse verhindern.


Weitere Informationen zur Funktion der Jodblockade. Credit: Bundesamt für Strahlenschutz, Account @strahlenschutz via twitter.com


Kaliumjodidtabletten führen eine sogenannte Jodblockade herbei. „Bei einer Jodblockade versucht man die Aufnahme des radioaktiven Jods in die gesunde Schilddrüse zu verhindern. Das funktioniert, indem man viel Jod im Vorfeld anbietet, sodass die Schilddrüse nichts mehr aufnehmen kann und blockiert ist“, erklärt Dr. med. Kanitz. So eine Jodblockade hat sich auch schon bei dem Reaktorunfall von Tschernobyl bewährt. Damals wurde das Kaliumjodid hauptsächlich an Kinder, aber auch an Erwachsene weitergegeben. Nachforschungen haben gezeigt, dass die Jodblockade eine positive Wirkung hat.


Risiken bei der Einnahme von Kaliumjodidtabletten

Im Ernstfall stellt sich die Frage, ob der Konsum der Kaliumjodidtabletten Risiken mit sich bringt. „Es gibt bei hohen Jodmengen das Problem der Jod-Akne. Hier kommt es zu starken Hautveränderungen. Auch eine Jod-Allergie ist möglich und kann im schlimmsten Fall zu einem tödlichen anaphylaktischen Schock führen“, so Dr. med. Kanitz. Es sind noch weitere mögliche Risiken vorhanden. „Es gibt die Jodunverträglichkeit, diese kommt bei uns recht häufig vor. Gerade bei Patienten, die unter dieser Unverträglichkeit leiden, kann eine erhöhte Dosierung eine Schilddrüsenüberfunktion hervorrufen. Das ist bei älteren Personen mit Vorerkrankungen ein Problem, da diese möglicherweise Herzrhythmusstörungen entwickeln können“, äußert sich Dr. med. Susanne Weismüller, Nuklearmedizinerin.


Pläne für einen möglichen Atomangriff

Im Hinblick auf den Ukraine-Konflikt kommt die Frage auf, ob die Kaliumjodidtabletten bei einem möglichen Atomangriff helfen und ob es einen organisatorischen Plan für so eine Katastrophe gibt. „Wenn es zu einem radioaktiven Ausbruch kommt, dann wäre es sowohl planbar als auch sinnvoll mit den Tabletten entgegenzuwirken. Sollte es aber zu einem möglichen Atombombenabwurf kommen, läuft da nichts mehr regulär ab. Man wäre im absoluten Chaos und nicht mehr in der Lage, das Kaliumjodid an die Menschen abzugeben“, erklärt Dr. med. Weismüller. „Meine Einschätzung ist, dass wir wenig Probleme damit haben werden, wenn ein Atomkraftwerk explodiert. Sollte es aber zu einem Atombombenabwurf kommen, dann glaube ich, ist das das geringste Problem. Da hat man dann andere Sorgen“, sagt Dr. med. Kanitz.


Lohnt sich das Hamstern?

Weitere Informationen zum Vorrat der Jodtabletten. Credit: Bundesamt für Strahlenschutz, Account @strahlenschutz via twitter.com


In Deutschland werden knapp 189,5 Millionen Kaliumjodidtabletten in den Bundesländern gelagert. Trotz dieser enormen Zahl hamstern momentan viele Menschen Jodtabletten aus Angst vor einem möglichen Atomangriff. Was sie nicht wissen: Sie hamstern die falschen Tabletten. „Bunkern kann man die Kaliumjodidtabletten gar nicht, weil man an diese nicht herankommt. Diese Tabletten werden nicht an Privatpersonen abgegeben, sondern können nur mit einem Rezept erlangt werden. Die anderen Jodtabletten müsste man in einer großen Menge einnehmen, das ist nicht zu schaffen“ äußert sich Dr. med. Weismüller dazu. Kaliumjodidtabletten enthalten 130 Milligramm Kaliumjodid. Die Tabletten, die man in jeder Apotheke kaufen kann, hat gerade mal eine Menge von 0,15 oder 0,2 Milligramm vorzuweisen.


Abschließend bestärkt Dr. med. Weismüller ihre vorherige Aussage: „Es macht keinen Sinn die niedrig dosierten Tabletten zu hamstern. Die Hochdosierten zu hamstern, macht nur dann Sinn, wenn ein Problem, das mit einer Panne mit einem Atomkraftwerk im Zusammenhang steht, auftaucht.“


von Laura Götz


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